Krankheitsodyssee

Nachdem ich Sammys Behandlung mit Prednisolon Mitte November 2011 abschließen konnte, zeigten sich bei ihm ungefähr zwei Wochen nach Absetzen des Medikaments äußerst alarmierende Symptome. Binnen zwei Tagen traten regelrechte Ausfallerscheinungen auf. Sammy hatte offensichtlich Probleme, sich fortzubewegen, einmal kippte er sogar im Stand mit den Hinterbeinen zur Seite um. Es schien so, als könne er seine Beine manchmal nicht mehr richtig koordinieren.

Bei einem Besuch in der Tierklinik Hüttig in Reutlingen am 25.11.2011 wurde Sammy neurologisch untersucht und der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall geäußert. Am 28.11.2011 sollte eine CT gemacht werden, bis dahin sollte Sammy sich so wenig wie möglich bewegen. Er durfte keine Treppen steigen, nicht ins bzw. aus dem Auto springen und draußen nur an der kurzen Leine laufen. Diese Anforderungen bereiteten uns einige Probleme, wir mussten im Haus buchstäblich „umbauen“. Sammy durfte sich nur noch im ersten Stock aufhalten und das Haus nur noch hinten über den Garten betreten bzw. verlassen. Dort hatten wir eine Rampe gebaut, damit er die drei Stufen zum Garten hin nicht steigen musste. Autofahren stellte ich ganz ein, da es fast unmöglich ist, Sammy ins Auto zu heben bzw. aus dem Auto herauszuheben, ohne dass er ein paar „Spritzer“ macht. Diese Eigenheit hatte er von Anfang an, vermutlich gab es in seiner Vergangenheit ein prägendes Erlebnis beim Hochheben.

Am 28.11.2011 wurde Sammy erneut neurologisch untersucht, was mich etwas verwunderte, da es genau dieselbe Untersuchung war wie am 25.11.2011. Diesmal wurde sie allerdings von der Neurologin der Tierklinik durchgeführt, die zu einem anderen Ergebnis kam als ihre Kollegin. Einen Bandscheibenvorfall schloss sie praktisch aus. Stattdessen wies sie mich auf eine Schiefhaltung von Sammys Kopf hin, was zusammen mit einer gewissen Schreckhaftigkeit und verengten Pupillen auf eine Toxoplasmose hinweisen könne. Tatsächlich hielt Sammy fortwährend den Kopf schief nach rechts geneigt (von vorne gesehen), was mir vorher gar nicht aufgefallen war.

Die Neurologin riet mir dazu, zunächst eine Blutuntersuchung machen zu lassen, um Gewissheit zu bekommen, ob eine Toxoplasmose vorlag. Sie nahm Sammy Blut ab, das zur Analyse in ein Labor geschickt wurde. Von der CT riet sie mir ab, an meiner Stelle würde sie lieber gleich eine MRT machen lassen, die aussagekräftiger sei. Zu diesem Zweck müsse ich allerdings in die Tierärztliche Praxis für Neurologie in Dettelbach fahren. Sie würde versuchen, einen Termin zu vereinbaren.

Ziemlich verunsichert versuchte ich anschließend zu Hause, im Internet Informationen zur Toxoplasmose zu finden. In diesem Zusammenhang stieß ich auf die Neosporose, deren Symptome ebenfalls passten. Auch diese Krankheit sollte laut Tierklinik in der Blutuntersuchung abgedeckt sein. Jetzt hieß es warten.

Am 05.12.2011 wurde mir die quälende Ungewissheit schließlich zu viel und ich rief nachmittags in der Tierklinik an. Dort teilte mir ein Mitarbeiter der Anmeldung mit, dass das Ergebnis der Laboruntersuchung vorliege. Es sei keinem Tierarzt zur Vorlage zugeordnet gewesen, deshalb hätte ich auch nichts gehört. Der Test auf Toxoplasmose und Neosporose sei negativ gewesen. Er versprach mir, dass sich die Neurologin bei mir melden würde. Das tat sie auch, aber erst gegen 20.30 Uhr. Sie hinterließ mir eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.

Ich weiß bisher nicht, ob die Blutuntersuchung irgendwelche Hinweise auf entzündliche Prozesse enthielt, da mir für die Blutuntersuchung zwar 171,95 Euro in Rechnung gestellt wurden, man es aber weder für notwendig befand, mich über das Eintreffen des Ergebnisses zu informieren, noch mich über die Bedeutung desselben aufzuklären. Stattdessen riet mir die Neurologin nunmehr zur einer Liquoruntersuchung und wie gehabt der MRT.

Ein weiteres Krankheitsbild, das auf Sammys Symptome passt, ist das des Vestibularsyndroms. Die Neurologin hatte es bei meinem ersten Besuch kurz angesprochen. Ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich darum handeln könnte, ist, dass es Sammy sehr schnell wieder besser ging. Draußen läuft er inzwischen weitgehend normal, drinnen ist er weiterhin beim Treppensteigen und auf glatten Untergründen wie Fliesen unsicher. Auch das Hineinspringen ins Auto klappt noch nicht so ganz, da ist er ebenfalls unsicher.

Bild

Sammy im November 2011 mit verletzter Vorderpfote, aber sonst fit

Das kann aber auch alles daran liegen, dass er auf den Fliesen im Haus wegen seiner Ausfallerscheinungen mehrmals ausgerutscht und auf dem Bauch gelandet ist und es beim Hinunterlaufen einer Treppe irgendwie geschafft hat, mit der äußeren Kralle der rechten Hinterhand hängenzubleiben und sich diese vollständig herauszureißen. Solche negativen Erfahrungen hinterlassen bei Sammy oftmals einen bleibenden Eindruck und beeinflussen fortan mehr oder weniger dauerhaft sein Verhalten.

Neben dem Vestibularsyndrom kommen noch eine Ohrenentzündung sowie ein Hirntumor infrage. Eine Ohrenentzündung möchte ich nicht ausschließen und werde zur Abklärung morgen meinen Tierarzt aufsuchen. Ein Hirntumor ließe sich wohl mit der Liquoruntersuchung bzw. der MRT feststellen, aber was hätte ich davon (außer den mit diesen Untersuchungen verbundenen Risiken und vergleichsweise hohen Kosten)? Nach allem, was ich im Internet dazu finden konnte, scheint es kaum eine Erfolg versprechende Behandlung für Hirntumore bei Hunden zu geben. Weiterhin drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, wie weit zu gehen man bereit ist, um einem Tier zu helfen. Sollte man wirklich alles auffahren, was die moderne Tiermedizin hergibt? Macht das wirklich Sinn? Um welche Zeitspanne könnte ich Sammys Leben dadurch verlängern – ein paar Tage, eine Woche, zwei Wochen oder gar Monate? Und was für ein Leben hätte er in dieser dazugewonnenen Zeit, wäre er glücklich? Könnte er das tun, was er am liebsten tut – „jagen“? Für mich „arbeiten“? Vermutlich nicht. Wozu dann das Ganze?

Irgendwo muss jeder für sich eine Grenze ziehen. Ich werde bei Sammy mit Ausnahme der Ohrenuntersuchung in dieser Angelegenheit keine weiteren Untersuchungen mehr machen lassen. Wenn die Natur es so vorgesehen hat, dass er gehen muss, dann soll er auch gehen dürfen. Bis dahin werde ich weiterhin versuchen, sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten.

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